2022 - Wir feiern 10 Jahre erfolgreichen Tigerschutz in Thailand

Beim Tigergipfel 2010 in St. Petersburg haben sich die 13 Tigerverbreitungsnationen verpflichtet, bis zum Jahr 2022 die Zahl der freilebenden Tiger von rund 3.200 auf mehr als 6.000 Tiere zu steigern. Aktuellen Zählungen zufolge wurde dieses Ziel nicht erreicht und Tiger sind auf der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN (Internationale Union für Naturschutz) nach wie vor als “Gefährdet” eingestuft. Dennoch zeigen die Tigerschutzprogramme der vergangenen Jahre Erfolge und die Zahl der heute in freier Natur lebenden Tiere ist in den vergangenen 12 Jahren um ca. 40 Prozent auf geschätzt 4.500 Tiere gestiegen. Wesentlich zum Erfolg beigetragen haben das Engagement und die Zusammenarbeit einiger Tigerstaaten und Tigerschutzorganisationen.

Die Stiftung „A World for Tigers“ wurde 2012 gegründet und blickt dieses Jahr, gemeinsam mit dem WWF als Partner, auf 10 Jahre erfolgreichen Tigerschutz in Thailand zurück. In dieser Zeit ist unser Projektgebiet (der so genannte Upper Western Forest Komplex bestehend aus den Nationalparks Mae Wong, Khlong Lan, Khlong Wang Chao und Umphang) von 1.190 km² auf ca. 4.500 km² angewachsen. Anstelle von ursprünglich 85 Kamerafallen wird der Tigerbestand heute an 179 Überwachungsstationen ermittelt und die Zahl der Wildhüter hat sich von 80 auf heute 200 mehr als verdoppelt. Auch die Aufgaben der Wildhüter haben im Lauf der Zeit zugenommen: standen zunächst vor allem Patrouillengänge zum Schutz der Tiger sowie Aufklärungskampagnen in Dörfern und Schulen im Fokus, so sind in den letzten Jahren wichtige Maßnahmen zur Lebensraumverbesserung sowie Auswilderungsaktionen von Sambar-Hirschen zur Erhöhung der Beutetierzahlen und der Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts dazugekommen. Das Ergebnis nach 10 Jahren Tigerschutz ist eine deutliche Vergrößerung des geschützten Lebensraumes der Tiere, steigendes Bewusstsein für Artenschutz in der Bevölkerung und eine Zunahme der Tigerzahlen. Auch im vergangenen Jahr können wir wieder auf viele positive Entwicklungen zurückblicken.

 

Neuigkeiten aus unserem Projektgebiet: Neue Auswilderungsaktionen von Sambar-Hirschen

Im Langzeitmonitoring hat sich gezeigt, dass die Populationen von Muntjaks (kleine Hirsche), Wildschweinen, Sambar (größere Hirsche) und Gaur (der größte lebende Vertreter der Rinder) – allesamt Beutetiere der Tiger - in unserem Projektgebiet relativ klein sind. Die Vergrößerung der Beutetierpopulation ist allerdings ein entscheidender Faktor, um auch die Zahl der Tiger zu erhöhen. Bereits im vergangenen Jahr war daher eine der wichtigsten Maßnahmen, im Rahmen einer ersten Auswilderungsaktion 32 Sambar-Hirsche in die Wälder des Mae Wong Nationalparks zu entlassen.

Kamerafallenbilder bestätigen, dass diese erste Auswilderungsaktion erfolgreich war und sich die Sambar gut eingelebt haben. Die Tiere werden regelmäßig mittels Kamerafallen in der Nähe der neu geschaffenen Grasflächen und Salzleckstellen beobachtet. Anhand der Ohrmarken können sie leicht von den ansässigen Sambar-Hirschen unterschieden werden. Drei erwachsene männliche Tiere haben sich sogar 7 km weit von der restlichen Herde entfernt und wurden in der Nähe des Nationalpark-Hauptquartiers beobachtet.

In einer zweiten Auswilderungsaktion wurden dieses Jahr weitere 44 Sambar-Hirsche freigelassen – 24 Tiere erneut in Mae Wong und 20 Tiere erstmalig im Khlong Lan Nationalpark. Vor der Auswilderung der Tiere waren zunächst umfangreiche Vorbereitungen nötig. In Khlong Lan musste ein Waldweg auf einer Länge von 3,4 km geschaffen werden, damit die Tiere zur Freilassungsstelle transportiert werden konnten. Damit der Lebensraum optimale Bedingungen für Huftiere bietet wurden in beiden Nationalparks zudem neue Graslandschaften angelegt, so dass die Tiere ausreichend Nahrung finden. Dazu müssen die Flächen zunächst von „Unkraut“ befreit werden so dass anschließend einheimisches Gras gepflanzt werden kann, um zusätzliche Nahrungsquellen für die Hirsche zu schaffen.

 
 

Bau eines Waldweges zur Auswilderungsstelle der Sambar (oberste Reihe) und Anlegen von Graslandschaften in den Nationalparks
(© alle Bilder DNP & WWF Thailand)

Zusätzlich wurden im Mae Wong Nationalpark sieben und im Khlong Lan Nationalpark drei Salzleckstellen mit Salz und Mineralien angereichert. An jeder Stelle wurden abschließend Kamerafallen aufgestellt, um zu beobachten, welche Tiere die Stellen aufsuchen.

 
Errichten einer Salzleckstelle und Anbringen einer Kamerafalle (© alle Bilder DNP & WWF Thailand)

Vor ihrer Auswilderung wurden die Sambar-Hirsche einer eingehenden körperlichen Untersuchung, Bluttests, der Anbringung von Ohrmarken und der Messung des Halsumfangs (für GPS-Halsbänder) unterzogen. 10 Tiere wurden mit GPS-Halsbändern ausgestattet, um die Verbreitung der Tiere und ihren Bewegungsradius in den Nationalparks mitverfolgen zu können. Alle Auswilderungsaktionen werden durchgängig von Tierärzten begleitet und die Transporte zu den Auswilderungsorten finden nur nachts statt, um sie für die Tiere möglichst stressfrei zu gestalten. 

 
 
Anbringen eines GPS Halsbandes und Transport der Sambar zum Auswilderungsort (Reihe 1); Sambar im geschützten Gehege vor der Auswilderung und bei der Freilassung in die Wälder (Reihe 2) (© alle Bilder DNP & WWF Thailand)

In den kommenden Jahren werden noch weitere Aktionen stattfinden, in denen insgesamt ca. 200 Sambar-Hirsche in den Nationalparks angesiedelt werden, um einerseits eine größere Reproduktions- und Überlebensrate der Tiger sicherzustellen und andererseits auch die Zahl der Sambar selbst stabil zu halten.


Auswilderungsgebiete von Sambar in Mae Wong und Khlong Lan (© DNP & WWF Thailand)

 

Neuer Tiger-Nachwuchs in den Nationalparks

Im vergangenen Jahr wurden in dem 4.500 km² großen Gebiet über einen Zeitraum von 9 Monaten an insgesamt 179 Standorten Kamerafallenbilder ausgewertet. Das Ziel dieses Langzeit-Monitorings der Tiger und ihrer Beutetiere ist, die gewonnenen Daten in eine nationale Tigerdatenbank zu übertragen. In dieser Datenbank werden anhand ihres Streifenmusters individuelle Tiger identifiziert. Durch den Abgleich, wann welcher Tiger wo von den Kamerafallen aufgenommen wurde, lassen sich beispielsweise Migrationsrouten von Tigern rekonstruieren. Die Daten geben aber auch Aufschluss über die Verteilung von Tigern und ihrer Beutetiere sowie die Koexistenz von Großraubtierarten wie Tiger, Leoparden und Asiatische Wildhunde. Im Vorfeld der Auswertungen erhielten insgesamt 110 Wildhüter Auffrischungstrainings, in denen ihnen die notwendigen Kenntnisse zum Tigermonitoring vermittelt wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass insgesamt zwanzig unterschiedliche Tiger in dem Gebiet nachgewiesen werden konnten: zwölf Männchen, acht Weibchen und fünf Jungtiere.

 

Kamerafallenbilder von Tigern in den Nationalparks. In der zweiten Reihe sieht man ein Tigerweibchen mit ihrem Nachwuchs
(© DNP & WWF Thailand) 

Diese Zahlen zeigen, dass die Tigerpopulation gegenüber der letzten Zählung im Vorjahr um etwa 67% gestiegen ist und stellen somit ein großartiges Ergebnis dar. Durch einen Abgleich mit der Tiger-Datenbank konnte zudem festgestellt werden, dass drei dieser Tiger aus dem Huai Kha Khaeng Wildlife Sanctuary eingewandert sind. Zuwanderungen aus anderen Gebieten finden immer nur dann statt, wenn die Anzahl der Tiere im Ursprungsgebiet zu hoch wird und die neue Heimat andererseits gute Lebensbedingungen für die Tiere bietet. Diese Ergebnisse zeigen somit nicht nur, dass die Gesamtanzahl der Tiere zunimmt sondern auch dass sich die Lebensbedingungen im Projektgebiet kontinuierlich verbessern und sich Tiere aus benachbarten Regionen niederlassen.

 
 
 
 

Wildhüter beim Training (Reihe 1 und 2) und bei der Feldarbeit (Reihe 3 und 4) (© alle Bilder DNP & WWF Thailand)

 

Eröffnung des neuen Tigerschutzzentrums in Umphang

Zu den wichtigsten Aufgaben der Wildhüter gehören regelmäßige Patrouillen im Schutzgebiet, bei denen Wilderer festgenommen, Wilderercamps zerstört und Waffen beschlagnahmt werden. Im vergangenen Jahr waren im Rahmen der Patrouillen in den Nationalparks 34 Wildhüter-Teams unterwegs, die insgesamt 20.575 km zurückgelegt und dabei 75% des 4.500 km² großen Gebietes abgedeckt haben. Obwohl die Wilderei unter allen illegalen Aktivitäten nach wie vor die größte Bedrohung darstellt wurden dank des engagierten Einsatzes der Wildhüter keine Tiger gewildert. Im Fokus der Wilderer standen wie auch in den Vorjahren vermehrt kleinere Säugetiere und Vögel.

Um den Wildhütern zu ermöglichen, einen möglichst großen Teil der Nationalparks abzudecken ist der Bau und die Instandhaltung von Wildhüterstationen erforderlich, in denen die Wildhüter übernachten können und die einen Austausch der Wildhüter untereinander ermöglichen. Ein Höhepunkt in diesem Jahr war die Eröffnung des neuen „Tiger Conservation Centers“ in Umphang, dessen Bau bereits 2021 begonnen hatte und das zur Auswertung von Kamerafallenbildern und der Verarbeitung der Daten dringend benötigt wird. Das Gebäude bietet einen Besprechungsraum für kleinere Gruppen bis zu 10 Personen mit einer großen Landkarte der Nationalparks und Lagerräume für technisches Equipment.

 
 
Das neue Tigerschutzzentrum in Umphang (© DNP & WWF Thailand)

Ebenfalls fertiggestellt und bereit für ihren Einsatz sind das Smart Patrol Center und das Tiger-Haus im Khlong Lan Nationalpark, die beide mit einer großen Eröffnungszeremonie für die Wildhüter freigegeben wurden.

Zusätzlich zum Bau neuer Wildhüterstationen war für die Arbeit der Wildhüter auch die Renovierung der drei Stationen Loh Kho (Khlong Wang Chao Nationalpark), Khlong Nam Lai (Khlong Lan Nationalpark) und Mae Khlong Noi (Umphang Schutzgebiet) strategisch wichtig. Da die Gebäude teilweise bereits seit 30 Jahren im Einsatz sind und manche aus Bambus gebaut werden waren Renovierungsarbeiten in allen drei Fällen dringend nötig, damit sie weiterhin von den Wildhütern genutzt werden können.

 
 
 
 

Eröffnung des Smart Patrol Center (Reihe 1) und des Tiger House (Reihe 2); Renovierte Wildhüterstationen in Loh Kho (Reihe 3), Khlong Lan Nai (Reihe 4, links) und Mae Khlong Noi (Reihe 4, rechts).  (© alle Bilder DNP & WWF Thailand)

 

Die Schulen sind wieder da

Die Situation der COVID-19-Pandemie in Thailand hat sich im Vergleich zu den Vorjahren verbessert, so dass unser Tiger-Team das erste Mal seit fast drei Jahren wieder im vollen Umfang Umweltbildung mit Schulen durchführen und Aktivitäten für die Schüler:innen organisieren konnte. Ziel war, den Schüler:innen Wissen über Tiger und andere Wildtiere zu vermitteln, die in den Wäldern in der Nähe ihrer Häuser leben und die Kinder und Jugendlichen stolz darauf zu machen, dass diese seltenen und gefährdeten Wildtierarten Teil ihrer Heimat sind. Über 200 Schüler:innen im Alter von sechs bis elf Jahren nahmen an diesen Aktivitäten im 2020 gebauten Tiger Lernzentrum in der Anuban Khlong Lan Schule und im Tiger-Haus des Khlong Lan Nationalparks teil. Sie erhielten grundlegendes Wissen über Tiger und andere bedrohte Arten durch Dokumentationen, Ausstellungen, Videos und Spiele. Die Schüler:innen selbst überlegten, wie man Tiger retten kann, und präsentierten anschließend ihre Ideen.

Auch die Big Cat Band, die vorrangig aus Wildhütern besteht, und drei Maskottchen trugen zur Unterhaltung der Schüler:innen bei.

 
 
Tigerschutzkampagne mit Schüler:innen der ersten Klasse (© alle Bilder DNP & WWF Thailand)

Die älteren Schüler:innen nahmen an konkreten Aktivitäten zum Tigerschutz teil. Dazu gab es drei Lernstationen:

  • Station 1: Junge Forscher:innen – dort lernten die Schüler:innen, wie Kamerafallen installiert und wie Daten zur Tigerpopulation oder zur Identifizierung von individuellen Tigern erhoben werden.
  • Station 2: Artenvielfalt – dort lernten die Jugendlichen, Spuren und Zeichen von Wildtieren zu entdecken und zu identifizieren.
  • Station 3: Tiger House – dort konnten sie sich eine Tiger- und Wildtierausstellung und Videos ansehen sowie Tiger-Ansteckpins herstellen.

Schließlich gab es noch eine zusätzliche Station, bei der sie einfach den Khlong Lan Wasserfall genießen konnten.

Die unterschiedlichen Stationen kamen bei den Jugendlichen sehr gut an. Am Ende waren sie stolz, ihren Tiger-Anstecker zu tragen, der sie als Tigerfreund auszeichnete. Aktionen wie diese sind ein wichtiger Beitrag zur Akzeptanz und zum Schutz von Tigern durch heutige und künftige Generationen.

 
 

Tigerschutzkampagne mit Schüler:innen der 5. Klasse (© alle Bilder DNP & WWF Thailand)

 

Aufklärungsarbeit an Universitäten

2019 wurde der SMART-Patrouillen-Ansatz – ein standardisiertes Patrouillenverfahren für Schutzgebiete – unter dem Titel "Smart Patrol and Protected Area Management" in den Lehrplan der Fakultät für Forstwirtschaft der Kasetsart-Universität aufgenommen. Mit Unterstützung des thailändischen Department of National Parks, Wildlife and Plant Conservation (DNP), der Kasetsart Universität, und unseres Tiger-Teams vor Ort werden jährlich Smart-Patrouillen-Schulungen für Studierende der Kasetsart Universität durchgeführt. In diesem Jahr wurden im Rahmen dieses Programms 35 Studierende ausgebildet. Das ist deshalb so wichtig, weil die Absolvent:innen dieser Universität häufig später in der Schutzgebietsverwaltung oder für das thailändische Royal Forestry Department arbeiten. Durch die Ausbildung wird somit den künftigen Schutzgebietsverwalter:innen das notwendige Wissen für den langfristigen Schutz von Wildtieren und nationalen Ressourcen in Thailand mitgegeben.

 

Zum Abschluss…

Am Ende eines ereignisreichen Jahres, das die Chinesen das „Jahr des Tigers“ nennen blicken wir mit einem Gefühl der Freude und der Hoffnung auf 10 Jahre erfolgreichen Tigerschutz zurück. Im letzten Tigerjahr, vor zwölf Jahren, ging ein ehrgeiziges Ziel um die Welt: die Verdopplung der Zahl frei lebender Tiger bis 2022. Dieses Ziel wurde nicht erreicht aber wir sind ihm deutlich näher gekommen. Zwar sind Tiger noch in allen Verbreitungsgebieten als „gefährdet“ eingestuft, doch in wichtigen Regionen wie Thailand ist eine Trendumkehr vollzogen. Aus Überzeugung, Entschlossenheit und Teamgeist erwachsen ungeahnte Kräfte und mit der Unterstützung gleichgesinnter Menschen ist es heute möglich, alle wichtigen Elemente für erfolgreichen Tigerschutz umzusetzen.