Ihre Heimat ist der Dschungel, hier sind sie perfekt getarnt und leben in aller Abgeschiedenheit – und doch sind sie nach wie vor gefährdet: Tiger. Die Wälder Thailands, vor allem aber die Nationalparks, sind die letzten Hochburgen wild lebender Tiger in Südostasien. Die im dichten Regenwald verborgenen Kamerafallen dokumentieren den Erfolg der seit über zehn Jahren laufenden Naturschutzarbeit mit dem Ziel, die Zahl freilebender Tiger und ihrer Beutetiere zu erhöhen. Im Zentrum der Aktivitäten stehen dabei der Schutz der Tiere vor Wilderern, die Aufklärungsarbeit in der Bevölkerung und der Erhalt sowie die Verbesserung ihres Lebensraumes. Und das kontinuierliche Engagement vor Ort zahlt sich aus: Die Zahl der Tiger steigt weiterhin an.
Neuigkeiten aus unserem Projektgebiet: neun neue Leben, ein Tod
Regelmäßiges Tiger-Monitoring ist wichtig, um Entwicklungen und Trends in der Tigerpopulation frühzeitig zu erkennen. Dazu gehört auch die Erfassung von weiblichen Tigern mit Jungen. Deren Vorkommen und Zahl ist ein Indikator dafür, wie gut sich die Tiere fortpflanzen. Neben 16 weiteren erwachsenen Tigern nahmen unsere Kamerafallen von Mai bis Juni auch vier Tigerweibchen mit insgesamt neun Jungen auf – die bisher höchste Zahl an Tigern und Tigerjungen, die wir in unserem Projektgebiet, dem 4,532 km² großen Upper Western Forest Complex, verzeichnen konnten. Der Nachwuchs war zwischen drei und zwölf Monate alt und beweist, wieviel Potenzial der Westliche Waldkomplex mit seinen über 20 Schutzgebieten für die Erholung der Tigerbestände in Thailand hat.
Weiblicher Tiger F12 mit einem von insgesamt drei Jungtieren (links) und Tiger F15 mit zwei Jungtieren (rechts)
(© alle Bilder DNP & WWF Thailand)
Leider gibt es auch eine traurige Nachricht: obwohl im vergangenen Jahr keine Tiger durch Wilderer getötet wurden, fanden die Ranger dennoch im Mae Wong Nationalpark ein totes männliches Tier. Es war der etwa fünfjährige MKM25, genannt Wijit, „der Exquisite“, der 2022 aus dem Wildschutzgebiet Huai Kha Khaeng eingewandert war. In einem neunstündigen Fußmarsch brachten die Ranger das Tier zum Nationalparkzentrum. Die Ärztinnen und Ärzte dort diagnostizierten als Todesursache Blutvergiftung, eine Folge der vielen Wunden, die Wijit sehr wahrscheinlich aus einem Kampf mit einem anderen Tiger davongetragen hatte.
Der tote Tiger Wijit wird zum Nationalparkzentrum gebracht (© alle Bilder DNP & WWF Thailand)
Die Tatsache, dass nun bereits seit über 8 Jahren in den Nationalparks keine Tiger mehr von Wilderern getötet wurden ist zu einem großen Teil dem unermüdlichen Einsatz der 200 Wildhüter zuzuschreiben, die in 33 Patrouillen-Teams aufgeteilt, in den vergangenen Monaten ca. 14,500 km zurückgelegt haben. Unter allen illegalen Aktivitäten stellt die Wilderei zwar nach wie vor die größte Gefahr dar, im Fokus der Wilderer stehen nun jedoch vor allem kleinere Säugetiere und Fische. In einzelnen Fällen werden leider nach wie vor auch Hirsche gewildert, die als wichtige Beutetiere der Tiger für deren Überleben essenziell sind. Ein Wilderer konnte festgenommen werden und wurde an die Behörden übergeben.
Überreste eines gewilderten Hirsches und beschlagnahmte Waffen von Wilderern (links) sowie illegale Abholzungen in den Nationalparks (rechts)
(© alle Bilder DNP & WWF Thailand)
Damit die Wildhüter optimal auf ihren Einsatz im Feld vorbereitet sind werden in regelmäßigen Abständen Trainings durchgeführt, bei denen wichtige Themen wie etwa die Auswertung von Kamerafallendaten, das Lesen von Wildtierspuren, die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der Bevölkerung, das Aufspüren und die Festnahme Verdächtiger, der richtige Umgang mit Waffen und eine Geländeausbildung vermittelt werden. Am diesjährigen Smart Patrol Training nahmen insgesamt 40 Wildhüter teil.
Wildhüter beim Smart Patrol Training (© alle Bilder DNP & WWF Thailand)
Darüber hinaus wurden die Wildhüter in allen Nationalparks auch mit dem nötigen Equipment, wie etwa Uniformen, Rucksäcke, GPS Geräte und Kameras, ausgestattet.
Verteilung von Wildhüter Ausrüstung im Smart Patrol Center Khlong Lan (links) und in der Rangerstation Umphang (rechts)
(© DNP & WWF Thailand)
Damit die Wildhüter auch entfernte Bereiche der Nationalparks überwachen können ist die kontinuierliche Instandhaltung der bestehenden Wildhüterstationen unerlässlich. Dieses Jahr mussten dringende Wartungsarbeiten im Smart Patrol Center des Mae Wong Nationalparks durchgeführt werden. Zudem musste das Solarsystem in der Khlong Sue Kham Ranger Station repariert werden, um die Station wieder mit Elektrizität zu versorgen. Manche Rangerstationen sind mit Solarsystemen ausgestattet, damit die vorhandenen Funkanlagen für die Kommunikation der Wildhüter untereinander genutzt werden können.
Wartungsarbeiten am Smart Patrol Center in Mae Wong (links) und Reparatur des Solarsystems in der Khlong Sue Kham Ranger Station (rechts)
(© DNP & WWF Thailand)
Die wichtige Rolle von Studenten und Schülern im Tigerschutz
Für den Schutz der Tiger und ihres Lebensraumes sind neben der Feldarbeit der Wildhüter auch Aufklärungskampagnen und Aktionstage an Universitäten, Schulen und in lokalen Dörfern gleichermaßen wichtig. Die Zusammenarbeit mit der Bevölkerung ist eine äußerst wichtige Komponente unseres Tigerprogramms, denn Tigerschutz kann nur gelingen, wenn er von allen Bewohnern getragen wird.
Daher wurden auch dieses Jahr zahlreiche Tigerschutz-Kurse für Schüler und Studenten sowie eine Ausstellung für die Bevölkerung durchgeführt. In Zusammenarbeit mit dem thailändischen Department of National Parks, Wildlife and Plant Conservation (DNP), der Kasetsart University, der Wildlife Conservation Society (WCS) Thailand und unseres Tigerteams vor Ort wurden insgesamt 220 Studenten im SMART-Patrouillen-Ansatz – ein standardisiertes Patrouillenverfahren für Schutzgebiete – geschult. Diese Ausbildung fand dieses Jahr zum achten Mal in Folge statt und vermittelt den künftigen Schutzgebietsverwalter:innen das notwendige Wissen für den langfristigen Schutz von Wildtieren und nationalen Ressourcen in Thailand.
Studenten der Kasetsart Universität bei der Smart Patrol Ausbildung (© DNP & WWF Thailand)
Zusätzlich organisierte unser Tigerteam auch in diesem Jahr eine Veranstaltung für alle Schüler:innen der 4. und 5. Klasse der Anuban Khlong Lan Schule im Tiger Learning Center. Das Ziel der Aktivität war, die Schüler:innen über Tiger und ihre wichtige Rolle im Ökosystem aufzuklären. Die Rettung von Tigern ist wichtig, denn sie hilft auch andere Arten zu erhalten und Wälder, Ökosysteme und nicht zuletzt das Klima zu schützen.
Um das Interesse der Schüler für diese wichtigen Themen zu wecken, wurden ihnen die Themen auf eine möglichst anregende und motivierende Art und Weise - in Form von Spielen, sowie mit Dokumentarfilmen, Musik und Gesang - nähergebracht.
Schüler eignen sich auf spielerische Weise Wissen über Tiger an (© DNP & WWF Thailand)
Um auch interessierten Menschen aus der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, sich über die aktuellen Tigerschutzmaßnahmen zu informieren, fand im März eine 3-tägige Tiger-Ausstellung in der Kasetsart Universität statt, die zahlreich besucht wurde.
Öffentliche Ausstellung und Informationsveranstaltung zum Tigerschutzprogramm
(© DNP & WWF Thailand)
Unsere größte Herausforderung: die Sambar-Auswilderung
Auch in diesem Jahr hat unser Team die Auswilderung von Sambar-Hirschen zur Wiederherstellung des Ökosystems in den Nationalparks fortgesetzt. Nur wenn es uns gelingt, die Anzahl der Hirsche in den Nationalparks nachhaltig zu erhöhen, ist ein kontinuierlicher und stabiler Anstieg der Tigerpopulation möglich. Eine zu geringe Dichte an Beutetieren bedeutet, dass vor allem jagdunerfahrene Jungtiere verhungern.
Seit 2021 wurden bisher 90 Sambar-Hirsche (42 männliche und 48 weibliche Tiere) in den Nationalparks Mae Wong und Khlong Lan ausgewildert. Ein Teil der Tiere wurde mit GPS Halsbändern ausgestattet, um die Entwicklung des Bestandes und ihre Verbreitung verfolgen zu können. Basierend auf Auswertungen der GPS-Halsbänder und Kamerafallen lebt noch die Hälfte der im letzten Jahr freigelassenen weiblichen Tiere und die Tiere sind gesund und munter. Die weiteren Tiere wurden von Raubtieren, vor allem Tigern, erbeutet. Die Größe des Verbreitungsgebiets der Sambar ist sehr unterschiedlich und reicht von 3,2 bis 18,3 km². Unsere Daten lassen vermuten, dass sie ihre neue Umgebung noch erkunden und sich noch nicht auf ein Gebiet festgelegt haben.
Auswilderung von Sambar-Hirschen im Khlong Lan Nationalpark (© DNP & WWF Thailand)
Aktuell ist eine der größten Herausforderungen im Tigerschutzprogramm, einen ausreichend großen Bestand an Sambar für die weitere Auswilderung zu erhalten. Der ursprüngliche Plan sieht vor, dass jährlich etwa 40-50 Sambar ausgewildert werden müssen, um die Basis dafür zu schaffen, dass die Zahl der Sambar in den Nationalparks stabil bleibt.
Das nächstgelegene „Breeding Center“ in Khao Kho – eine Station, in der sich die Hirsche in gesicherten Gehegen und vor Feinden geschützt vermehren können - verfügt jedoch nur über eine begrenzte Anzahl weiblicher Tiere. Daher ist es aktuell nicht möglich, die ursprünglich geplante Anzahl an Tieren auszuwildern. Im kommenden Jahr ist geplant, Sambar aus anderen Gebieten nach Khao Kho zu bringen, damit die Auswilderungszahlen gesteigert werden können.
Unterstützung und Ausbau der Sambar Gehege in Khao Kho (© DNP & WWF Thailand)
Damit die Tiere nach ihrer Auswilderung in den Nationalparks optimale Lebensbedingungen vorfinden haben wir bereits in den vergangenen Jahren damit begonnen, Grasareale zu schaffen und mehrere Salz- und Mineralleckstellen zu errichten. Durch diese Leckstellen erhalten Huftiere Nährstoffe, die für ihre Gesundheit wichtig sind. Auch in diesem Jahr wurden die Salz- und Mineralleckstellen erweitert. Kamerafallenbilder zeigen, dass sie von den Sambar sowie von Elephanten, Gaur (der größte lebende Vertreter der Rinder), Muntjaks (kleine Hirsche) und Wildschweinen rege besucht werden.
Kamerafallenbilder von Besuchern der Salz- und Mineralleckstellen: Wildschweine, Muntjaks, Sambar, Gaur, Elephanten und Tiger
(© alle Bilder DNP & WWF Thailand)
Zum Abschluss…
„Jedes Mal, wenn ich ein Tigerweibchen mit Jungtieren sehe, denke ich: „Was für ein Wunder!“ Dass in unserem Projektgebiet und darüber hinaus wieder mehr Tiger umherstreifen, macht mich einfach glücklich. Es zeigt, dass wir mit unserer Arbeit auf dem richtigen Weg sind, auch wenn noch mehr Anstrengungen nötig und möglich sind, um diese gefährdete Art zu retten.“ – Dr. Worrapan Phumanee (Wissenschaftler und Mitarbeiter im Tigerprogramm, verantwortlich für die Erfassung und Überwachung der Tiger und ihrer Beutetiere).
Wir sehen uns auch im kommenden Jahr mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert. Eine der größten wird dabei eine kontinuierliche Zunahme der Beutetierpopulation sein, ohne die – selbst bei guten Schutzmaßnahmen - die Anzahl der Tiger nicht steigen kann. Auch wenn diese Entwicklungen länger dauern als wir es uns wünschen würden wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Mit Ausdauer, vollem Einsatz und vor allem mit gleichgesinnten Menschen und unseren Tigerpaten an unserer Seite werden wir unser Ziel erreichen.